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Bündnis für Menschenwürde und Arbeit

Nachrichten aus Gesellschaft und Arbeitswelt

Stellungnahme zum Erhalt und die Zukunft der Arbeitslosenzentren und Beratungsstellen - Scheitern – das große Tabu

Beitragsseiten

Scheitern – das große Tabu

Sich zu verlaufen gehört zum LEBEN, aber gelegen kommt es nie.Der harmlose Begriff des Verlaufens skizziert für unzählige Menschen in unserer Gesellschaft das, was der Soziologe Sennett5 als Scheitern, dem "großen Tabu der Moderne" bezeichnet hat.

Das Scheitern frisst sich in die Biographie in einer Zeit, in der allseits erfahrbar wird, dass es für fast jeden abwärtsgehen kann, auch unwiderruflich; dass es den eigenen Kindern keineswegs automatisch bessergehen wird als einem selbst. Dass man, und sei es auch nur in der eigenen Wahrnehmung, draußen vor der Tür landen kann oder gelandet ist.

Die Angst, entbehrlich zu werden, ist neu in der Mehrheitsgesellschaft, die noch viel zu verlieren hat. Die Erfahrung, bereits entbehrlich zu sein, ist das tägliche Brot einer wachsenden Minderheit - vor allem der Arbeitslosen.

Die Frage des Scheiterns bezieht sich im Blick auf Auswege wesentlich auf die Perspektiven für die Gesellschaft allgemein und für die von Arbeitslosigkeit, Armut oder Scheitern betroffenen Menschen.

Diese Perspektiven sind aber oft nicht in Sicht und wenn, dann konkretisieren sie sich oft in prekärer Beschäftigung.

Wiederholte Erfahrungen des Scheiterns verdichten sich zu einem Teufelskreislauf von Entmutigung und Angst vor dem nächsten Scheitern, der nächsten Sackgasse.

5 Der flexible Mensch. Die Kultur des neuen Kapitalismus. Berlin-Verlag, Berlin 1998, ISBN 3-442-75576-X –

Szenenwechsel: Wirkungen von Arbeitslosigkeit

Wiebicke – „Bevor ich losgelaufen bin, wusste ich zwar einiges darüber, was die Monokulturen in der Landwirtschaft für Verheerungen anrichten. Aber dieses Wissen war abstrakt. Es macht eben einen Unterschied, wenn man tagelang toter Landschaft ausgesetzt ist und durch das Laufen ein Gefühl für die Dimensionen der Zerstörung bekommt.“

… und so ist es auch mit der Arbeitslosigkeit. Es ist eben was Anderes als Unbeteiligter oder Unbeteiligte die Auswirkungen von Arbeitslosigkeit sich vorzustellen oder täglich der Tretmühle von Unsicherheit ausgesetzt zu sein.

So stellte auf einer Internetplattform in Mönchengladbach noch Anfang des Jahres 2019 ein Leser bezweifelnd die Frage, „ob Arbeitslosigkeit denn überhaupt Angst auslösen könne“.

Arbeitslose müssen schon still ihr Schicksal ertragen, dürfen nicht selbstbewusst ihre Situation nach draußen präsentieren. Das ist die Erwartung, seid mal schön still, Ihr werdet ja schließlich vom Staat alimentiert. … und ja, diese Erwartung wird – leider - überwiegend auch erfüllt.

Umso ärgerlicher ist es für Zeitgenossen, die den Betroffenen das stille Ertragen zuweisen, wenn sich einzelne dieser Erwartung wiedersetzen.

Dabei kommt noch eine andere Dimension der letzten Jahre in den Sinn, die ebenfalls den klischeehaften Blick auf die Arbeitslosen betrifft: Über Jahre geisterte und geistert immer noch die Mär von einem Bild über Arbeitslose, insbesondere Langzeitarbeitslosen, durch die Köpfe und die Gazetten – besonders hervorgeholt, wenn es um die Diskussion um das

Grundeinkommen geht. Diese Mär lautet:

Die wollen doch alle nicht arbeiten!

Der Aufschwung am Arbeitsmarkt der letzten Jahre beweist das Gegenteil, die Bereitschaft unzähliger Menschen sich in prekären Jobs zu verdingen steigt, selbst wenn der Lohn nicht zum Leben reicht. Dies wiederlegt eindrucksvoll die gesellschaftlich produzierte Wahrnehmung.

Die weiter bestehende hohe Zahl von Langzeitarbeitslosen verweist dagegen auf eine
andere gesellschaftliche Baustelle, deren Beantwortung nun seit Jahrzehnten aussteht:
Wenn Arbeit weiter der zentrale Ort für die Existenzsicherung und für gesellschaftliche
Beteiligung ist, dann bleibt die offene Frage, welche Angebote unsere Gesellschaft jenen
Menschen macht, die nicht zum Handwerksmeister, Ingenieur, für Pflegeberufe oder
sonstige Berufe zu qualifizieren sind.

Wie kann und will Gesellschaft sinnvolle und notwendige Arbeit organisieren für jene, die nicht beliebig qualifizierbar sind und für jene, die vielleicht nach dem Abflauen des nächsten Booms, durch Digitalisierung 4.0 oder entsprechend des Szenarios der Deutschen Bank demnächst nicht mehr durch Arbeit an der gesellschaftlichen Wertschöpfung, durch Produktion oder Dienstleistungen teilhaben werden. Und wie organisieren sich dann unsere Sozialsysteme?

Denken Sie immer: daß wir nur eigentlich für uns selbst arbeiten. Kann das jemand in der Folge gefallen oder dienen, so ist es auch gut. Der Zweck des Lebens ist das Leben selbst.

 

Johann Wolfgang von Goethe
(1749 - 1832), deutscher Dichter der Klassik, Naturwissenschaftler und Staatsmann
Quelle: Goethe, Briefe. An Johann Heinrich Meyer, am 8. Febr. 1796
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