SPD-Politiker wollen Programm gegen prekäre Arbeitsverhältnisse nicht beenden
Das versicherten sie im Gespräch mit Vertretern des Arbeitslosenzentrums.
Die Ausbeutung findet vor unserer Haustür statt. Und wir sind nicht schuldlos daran. Täglich schuften tausende Menschen für einen Lohn, der eine Provokation ist.
„Ausbeuterische Arbeitsverhältnisse“ sind schon lange ein Ärgernis.
Hauptsächlich für die Betroffenen. SPD-Politker wollen daran etwas ändern. Das versprachen sie jetzt vor Vertretern des Gladbacher Arbeitslosenzentrums (ALZ).
Ob auf Feldern, in Fleischereibetrieben oder der Logistik-Branche - hier wird ganz selten der Mindestlohn gezahlt. Das stellen Teams aus Gewerkschaftern etc. bei ihren Kontrollen und Gesprächen, wie sie berichten, immer wieder fest.
Beispiel Amazon Rheindahlen: Hunderte Lkw rollen hier Tag für Tag mit ihrer Ladung an. Am Lenkrad fast nur Männer aus Bulgarien, Litauen, Kasachstan etc. Kaum einer spricht Deutsch. Kaum einer weiß, dass der, der auf „deutschem Boden“ arbeitet, Anspruch auf den Mindestlohn hat. Derzeit 10,45 Euro. Die meisten lassen sich - wenn überhaupt - mit fünf Euro die Stunde abspeisen, Überstunden, Wartezeiten, Spesen etc. inclusive. Und dann sind da noch die schlechten Hygieneverhältnisse wie fehlende Toiletten, Duschen, der Ärger über die schleppende Bezahlung durch den Sub-Sub-Unternehmer, Parkplatzprobleme etc.
Seit Anfang 2021 hat die Landesregierung NRW nicht ohne Druck die Beratungsstellen Arbeit gebildet. Sie sind an die landesweit rund 80 Erwerbslosen- und Arbeitslosenberatungsstellen angedockt. Auch das Gladbacher Arbeitslosenzentrum kümmert sich seitdem gezielt um die Ausbeutung am Arbeitsplatz. Bis zum Jahresende 2021 machten das der langjährige Sozialberater und ALZ-Leiter Karl Sasserath; Nachfolgerin Justine Krause bleibt Ansprechpartnerin für den wichtigen Beratungsbereich. Parallel ist das Zentrum auf der Suche nach einer Fachkraft mit halber Stelle.
Weil nicht gesichert ist, dass die „Beratungsstelle Arbeit“ auch über 2022 hinaus weitermachen kann, hat der ALZ-Vorstand um Sprecher Karl Boland LandtagsabgeordnetenInnen und angesichts der Wahlen im Mai auch KandidatInnen zum Gespräch eingeladen. Boland begrüßte zum Auftakt die Kandidatin Josephine Gauselmann und Hans-Willi Körfges (SPD-MdL). Die Frage an die Beiden: Wie halten Sie es mit der Fortführung des Programms?
Das „Ja“ kam spontan. Körfges wie Gauselmann betonten, "dass Arbeitslosen- und Erwerbslosenzentren seit jeher zum Bestand sozialdemokratischer Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik in NRW gehören“. Man habe solche Einrichtungen immer unterstützt, und das werde man auch künftig tun. Möglicherweise mit mehr Spielraum in Regierungsverantwortung. Folglich sollen die Einrichtungen gegen ausbeuterische Jobs, so die Politikerin, in das Wahlprogramm der NRW-SPD aufgenommen werden. Körfges dringt darauf, dass aus einer halben eine ganze Stelle wird, finanzielle Absicherung inbegriffen.
Erfolgreicher arbeiten könne die Beratungsstelle Arbeit nur, wenn die Politik regional wie überregional die Rahmenbedingungen verbessert. Beispiele: Bessere personelle Ausstattung machen mehr Kontrollen möglich, mehr Öffentlichkeitsarbeit löst „faires Konsumverhalten“ bei den Verbrauchern aus. Amazon sind die Aktivitäten der Beratungsstelle nicht verborgen geblieben. Auf die Kritik der Akteure nach z.B. unzureichenden Toiletten reagierte der Standortleiter schriftlich: Es seien genügend WCs vorhanden „und jederzeit auch von Außen“ erreichbar.
Lokale Akteure - das sind VertreterInnen von Gewerkschaften wie Verdi, des Volksvereins, des Gladbacher ALZ. Sie arbeiten u.a. im Bündnis „Fair Fahren“ zusammen.