Vorbemerkung
Die Bewertung der Koalitionsvereinbarung kann nicht den Anspruch erheben, dies aus wissenschaftlicher, vermeintlich „objektiver“ Sicht vornehmen zu wollen. Immer ist vorab die Frage zu stellen, aus welcher Perspektive und vor dem Hintergrund welcher normativen Positionen Stellung bezogen wird. Deshalb soll an dieser Stelle betont werden, dass es hier um die Frage nach den sozialen, sozial-, verteilungs- und gesellschaftspolitischen Regelungen bzw. Vorhaben und deren Auswirkungen geht.
Zugleich ist einschränkend zu berücksichtigen, dass eine Koalitionsvereinbarung die politischen Mehrheitsverhältnisse, die sich in einem demokratischen (Wahl)Prozess ergeben, widerspiegeln. Eine „linke“ Mehrheit hat es nach den Bundestagswahlen nicht gegeben; vielmehr musste (!) in die Regierungskoalition die FDP einbezogen werden. Dass die FDP eher marktradikal als sozialpolitisch ausgerichtet ist, war und ist klar. Insofern kann und sollte man sich über Vereinbarungen bzw. Absichtserklärungen, die diesen Marktbezug aufweisen, nicht empören. Sicherlich ist zu fragen, ob und inwieweit diese Vereinbarungen als so problematisch/gefährlich einzustufen sind, dass eine Koalition hätte scheitern sollten und das Risiko von Neuwahlen mit einem ungewissen Ausgang hätte eingegangen werden sollen. Hier haben die Parteien eindeutig anders enschieden.
Bewertungsgrundlagen
Hinsichtlich der Vereinbarungen und ihrer Auswirkungen ist in der Analyse zu unterscheiden:
- Welche Neuregelungen und Veränderungen, die in den Wahlprogrammen von SPD, Grünen und auch der Linken im Mittelpunkt gestanden haben, sind nicht verwirklicht worden. Hier geht es vor allem um die Stichworte „Bürgerversicherung“, „Erwerbstätigenversicherung“, „steuerliche Entlastung unterer und mittlerer Einkommen“, „stärkere Belastung von höheren und Spitzeneinkommen“, Wiedererhebung der Vermögensteuer“, „Einschränkung der Schuldenbremse“, „öffentlich finanziertes Investitionsprogramm in den Bereichen Umwelt, Bildung und Infrastruktur“. Das ließe sich fortsetzen – aber im Kern handelt es sich nicht um Verschlechterungen der aktuellen Situation, sondern um eine Fortschreibung von Problemlagen und sozialen Defiziten, die sich aber in der Zukunft verschärfen und zuspitzen werden.
- Welche Neuregelungen und Veränderungen, die in den Wahlprogrammen von SPD, Grünen und auch der Linken im Mittelpunkt gestanden haben, sind (mit Einschränkungen) verwirklicht worden. Was also geht über den bisherigen Rechtsstand hinaus und weist „in die richtige Richtung“ – trotz oder mit FDP? Hier geht es vor allem um die Stichworte „Erhöhung des Mindestlohns“, „Stabilisierung des Rentenniveaus bis 2025“, „Verzicht auf die Anhebung der Regelaltersgrenze“, „Einführung einer Kindergrundsicherung“, „Übergang in ein Bürgergeld“, „Beseitigung des Wohnungsmangels“. Das ließe sich ebenfalls fortsetzen.
- Welche Neuregelungen und Veränderungen, die im Wahlprogramm der FDP standen und dem Geist der Marktgläubigkeit entsprechen, sollen verwirklicht werden? Hier geht es um Veränderungen der aktuellen Rechtslage in die falsche Richtung, also um Verschlechterungen. Die Stichworte hier lauten u.a. „Ausweitung von Mini- und Midijobs“, „Steuerentlastung von Unternehmen“, „Einstieg in die Kapitaldeckung der gesetzlichen Rentenversicherung“
Wer die Koalitionsvereinbarung genau liest, wird feststellen, dass viele Formulierungen vage gehalten sind, es ist von Prüfaufträgen, Absichten und Zielen die Rede. Das entspricht der Struktur von Koalitionsvereinbarung en, die eben keine Gesetzesentwürfe sind. Es bleibt also abzuwarten, welche Vorhaben tatsächlich und wie umgesetzt werden. Das wird sich erst noch erweisen und hängt sicherlich auch davon ab, wie sich die politische und wirtschaftliche Lage in den nächsten Jahren entwickeln wird. Vergessen werden darf vor allem nicht, dass die konkrete Politik einer Regierung sich in der Vergangenheit nicht allein aus den Punkten der Vereinbarung ergeben hat. Dies dürfte auch in den nächsten Jahren der Fall sein, weil viele Probleme nicht vorhersehbar sind bzw. in der Vereinbarung (bewusst oder unbewusst) ausgeklammert worden sind.
Finanzierungdilemma
Eine zentrale Herausforderung wird sein, wie die Finanzierung der öffentlichen Haushalte (Bund, Sozialversicherungsträger und auch Länder und Kommunen) in den nächsten Jahren bewältigt werden soll. Ein Finanztableau weist die Vereinbarung nicht auf. Schon jetzt lässt sich erkennen, dass die Koalition vor einem nicht lösbaren Dilemma steht:
- Infolge der anhaltenden Pandemie (verbunden mit partiellen Lockdowns in weiten Bereich des Dienstleistungssektors und Produktionsausfällen in der Industrie wg. der Unterbrechung der weltweiten Lieferketten) verschiebt sich der erwartete Wirtschaftsaufschwung immer weiter nach hinten, der Einbruch des Bruttoinlandsprodukts wird nur langsam überwunden. Dies führt zu nur noch begrenzt steigenden öffentlichen Einnahmen aus Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen.
- Zugleich wird durch die (wieder) ausgeweitete Kurzarbeit ein starker Anstieg der Arbeitslosigkeit vermieden, aber die Ausgaben für das (in der Höhe ja verbesserte) Kurzarbeitergeld führen zu einem anhaltend hohen Defizit der Bundesagentur für Arbeit, das nur durch die Zuschüsse (nicht rückzahlbare Darlehen) in Höhe von (2021 und 2022) etwa 15 Mrd. Euro abgedeckt werden kann. Auch die Kranken- und die Pflegeversicherung geraten in erhebliche Finanzierungsprobleme, die Beitragssatzsteigerungen (in der Krankenversicherung Zusatzbeiträge) erfordern. Da aber nach der Koalitionsvereinbarung der Gesamtbeitragssatz zur Sozialversicherung 40 Prozent nicht übersteigen soll, sind auch hier steuerfinanzierte Zuschüsse aus dem Bundeshaushalt (wie schon 2020 und 2021) erforderlich. Auch der Einstieg in die Teilkapitaldeckung der Rentenversicherung verschlingt allein im ersten Jahr 10 Mrd. €
- Wenn auch nur ein Teil der angekündigten Investitionen in den ökologisch/energetischen Umbau und der Erneuerung der Infrastruktur (einschließlich der Digitalisierung) getätigt werden, verlangt dies nach Mehrausgaben des Bundes in Milliardenhöhe. Der Verweis auf die Notwendigkeit privater Investitionen kann dies nicht verdecken. Woher sollen die erforderlichen Mittel kommen?
- Mehreinnahmen durch höhere Steuern für hohe und höchste Einkommen sind ebenso wie die Wiedererhebung der Vermögensteuer ausgeschlossen worden. Der neue Finanzminister verspricht sogar großzügige Steuerentlastungen.
- Auch die Weiterführung des in der Pandemie eingeschlagenen Wegs, die krisenbedingten Mindereinnahmen und Mehrausgaben durch eine deutliche Anhebung der Neuverschuldung zu decken (was den Wirtschaftseinbruch erfolgreich gebremst hat), ist nach der Koalitionsvereinbarung ausgeschlossen. Schon für den Bundeshaushalt 2023 soll die Schuldenbremse wieder greifen.
Diese Widersprüche werden umso größer, je länger die Pandemie andauert – mit der Folge, dass die Verteilungsfrage in den nächsten Jahren ins Zentrum der politischen und sozialen Auseinandersetzung rückt. Aus Sicht der Wirtschaft und der marktgläubigen Wirtschaftswissenschaft (in Verbindung mit der FDP) gelten Kürzungen von Sozialleistungen in allen Bereichen des sozialen Netzes als unabweisbar erforderlich. Schon jetzt mehren sich diese Stimmen. Die Wiederbelebung einer neoliberalen Politik des Sozialabbaus droht, allerdings ist auch hier entscheidend, welche Gegenpositionen Gewerkschaften, Sozialverbände, Wohlfahrtsverbände und Teile der politischen Opposition aufbauen können.
Schaut man sich die einzelnen sozialpolitischen Bereiche der Koalitionsvereinbarung im Detail an, so wiederholt sich das oben skizzierte widersprüchliche Bild: Verschlechterungen werden weitgehend vermieden, Verbesserungen finden sich an manchen Stellen und ansonsten bleibt es beim status-quo. Zu dieser Fortschreibung der Verhältnisse lässt sich sagen, dass zwar Schlimmeres verhindert worden ist, dass sich aber auf der anderen Seite das Nicht-Handeln zu Lasten der Lebenslagen gerade der sozial Schwächsten auswirkt.
Grundsicherung
Besonders deutlich wird dies im Bereich der Grundsicherung
- Dass nunmehr von Bürgergeld gesprochen wird (Hartz IV war nie eine offizielle Bezeichnung, sondern vielmehr Arbeitslosengeld II und Sozialgeld), ändert an den Regelungen so wie sie im SGB II verankert sind, erst einmal gar nichts. Vor allem fällt auf, dass an der Höhe der Regelbedarfe und an deren Bemessungsverfahren nichts geändert wird. Angesichts des starken Preisanstiegs ist dies m.E. unverantwortlich.
- Allerdings gibt es auch eine ganze Reihe geplanter Veränderungen (die z.T. schon in den Corona-Sozialschutzpaketen angelegt sind), die nicht klein zu reden, sondern positiv zu bewerten sind, darunter:
- Leistung in den ersten zwei Jahren ohne Anrechnung des Vermögens und pauschale Anerkennung der Angemessenheit der Wohnung
- Erhöhung des Schonvermögens
- Teilhabevereinbarung, mit sechsmonatiger Vertrauenszeit
- Abschaffung des Vermittlungsvorrangs
- Ausweitung von Fort- und Weiterbildung
- Es bleibt bei der Mitwirkungspflicht
- Neuordnung und Begrenzung der Sanktionen entsprechend dem Urteil der BVG
- Ausweitung der Zuverdienstmöglichkeiten
- Umstellung von der horizontalen auf die vertikale Einkommensanrechnung
Es wird auf die konkrete Gesetzgebung ankommen, inwieweit es gelingt, diese Punkte so umzusetzen, dass wirklich (oder zumindest in großen Teilen) von einer „Überwindung von Hartz IV“ gesprochen werden kann und das neue Bürgergeld positiv besetzt ist.
Kindergrundsicherung
In den Bereich der Grundsicherung fällt auch die Ankündigung in der Vereinbarung, eine Kindergrundsicherung einzuführen. Sie soll die bisherigen Leistungen für Kinder zusammenfassen und aus einem einkommensunabhängigen Garantiebetrag und einem (eltern)einkommensabhängigen Zusatzbetrag bestehen und antragslos ausbezahlt werden, wobei der Garantiebetrag direkt den volljährigen Anspruchsberechtigte zusteht. Die Höhe dieser beiden Komponenten wird nicht beziffert. Offen bleibt auch, ob damit die steuerlichen Kinderfreibeträge entfallen oder nicht.
Mindestlohn
Ohne Zweifel fällt die noch für 2022 vorgesehene Anhebung des Mindestlohns auf 12 Euro in die Kategorie „Verbesserungen“. Dies entspricht einer Erhöhung um knapp 15 Prozent gegenüber dem bereits für Juli 2022 vereinbaren Betrag von 10,45 Euro. Damit erreicht der Betrag nahezu 60 Prozent des mittleren Bruttoverdienstes in Deutschland. Diese Schwelle wird auch von der EU-Kommission oft als Wert genannt.
Offen bleibt, ab wann genau der Betrag von 12 Euro wirksam wird. Und offen bleibt auch, wie die verbreiteten Missbräuche beim Mindestlohn eingedämmt werden sollen.
Von dem erhöhten Mindestlohn könnten grob geschätzt bis zu acht Mio. Beschäftigte profitieren. Dies gilt insbesondere für geringfügig Beschäftigte (darunter mehrheitlich Frauen), die nach wie vor im Niedriglohnsektor zu finden sind. Bei einer Stundenlohnschwelle von 12 Euro würden sich bei den Minijobs entweder die mögliche Stundenzahl auf etwa 8 Stunden in der Woche reduzieren oder aber die Beschäftigung würde sozialversicherungspflichtig.
Minijobs
Genau das wird aber nicht der Fall sein, da parallel zur Anhebung des Mindestlohns die Geringfügigkeitsschwelle von 450 Euro auf 520 Euro angehoben und entsprechend der weiteren Entwicklung des Mindestlohns dynamisiert werden soll. Analog soll die Midijob-Grenze auf 1.600 Euro angehoben und dynamisiert werden. Diese Regelungen wiederum fallen eindeutig in die Kategorie „Verschlechterungen“. Denn alle empirischen Befunde lassen erkennen, dass diese Beschäftigungsverhältnisse prekäre Beschäftigungsverhältnisse sind, die insbesondere für Frauen eine berufliche Sackgasse und eben keine Brücke in reguläre Beschäftigung sind. Hier wird eine Beschäftigungsform ausgeweitet und faktisch subventioniert, die den Beschäftigten keinen ausreichenden sozialen Schutz bietet, wie dies die Erfahrungen in der Pandemie deutlich belegen.
Alterssicherung
Diese für die Kombination Mindestlohn und Minijobs typische widersprüchliche Bewertung wiederholt sich, wenn der Bereich der Alterssicherung betrachtet wird. Positiv ist, dass
- das Rentenniveau den Wert von 48 Prozent „dauerhaft“ (!!) nicht unterschreiten soll,
- der Beitragssatz „in dieser Legislaturperiode“ 20 Prozent nicht überschreiten soll,
- die Regelaltersgrenze nicht angehoben werden soll. (Hier fehlt im Text der Vereinbarung allerdings ob damit „in dieser Legislaturperiode“ gemeint ist, was dann eine Anhebung auf über 67 Jahre nach 2025 nicht ausschließen würde),
- die Höhe/Berechnung der Erwerbsminderungsrenten auch jene verbessert werden soll, die bereits länger im Rentenbezug sind (bislang sind die Verbesserungen bei den EM-Renten auf die Neuzugänge beschränkt worden).
Problematisch und kaum nachvollziehbar ist hingegen die Aussage, dass die o.g. Zusagen durch eine Teilkapitaldeckung der Rentenversicherung abgesichert werden sollen. Vorgesehen ist, dass dafür im Jahr 2022, „in einem ersten Schritt“, 10 Mrd. Euro aus Bundesmitteln bereitgestellt und in einen von der Rentenversicherung verwalteten Kapitalstock eingezahlt werden. Diese Mittel wie auch die Mittel, die in der bereits bestehenden Schwankungsreserve stecken, sollen „global“ aber „reguliert“ auf dem Kapitalmarkt angelegt werden.
Dieses Vorhaben geht zurück auf das FDP-Modell einer „Aktienrente“, ist davon zwar weit entfernt, aber die Tore für eine Rentenversicherung, die die Renten von den Turbulenzen und Risiken auf den internationalen Aktienmärkten abhängig macht, sind geöffnet.
Nun sind 10 Mrd. Euro – bezogen auf die finanziellen Dimensionen der umlagefinanzierten Rentenversicherung (jährlich werden Ausgaben in einer Höhe von 340 Mrd. Euro getätigt) – ein geringer Betrag, der noch nicht einmal ausreicht, eine Monatsausgabe abzudecken. Wenn aber der Bund dauerhaft, diese Summe in einen Kapitalstock einzahlt, dann kommt es zwingend zu einer Konkurrenz mit den bereits jetzt fälligen Bundeszuschüssen zur Rentenversicherung. Problematischer noch: Es kann keinen Zweifel geben, dass die vorgesehene dauerhafte Stabilisierung des Rentenniveaus von 48 Prozent erheblich höhere Bundeszuschüsse erfordert, wenn ein steiler Anstieg der Beitragssätze vermieden werden soll.
Und es bleibt die Frage, was der Kapitalstock überhaupt leisten soll: Soll er in bereits einigen Jahren – etwa 2032 - wieder aufgelöst werden, wenn die geburtenstarken Jahrgänge das Rentenalter erreichen und stark steigende Ausgaben der Rentenversicherung die Folge sind? Selbst wenn die kumulierten Mittel eine jährliche Rendite von 8 Prozent (!) aufweisen, reicht die Summe noch nicht einmal aus, um die Gesamtausgaben der Rentenversicherung für vier Monate zu decken oder den Beitragssatz um 0,5 Prozentpunkte zu mindern. Dieses Rechenbeispiel zeigt, dass auch unter der Annahme hoher Renditen wenig gewonnen wäre. Da aber die Kapital- und Aktienmärkte keine Renditen garantieren können, sondern naturgemäß äußerst risikobehaftet sind, wäre es nicht zu verantworten, die Sicherheit der Renten durch Kursstürze und Börsencrachs zu gefährden. Die Annahme, dass der außergewöhnliche Aktienboom der letzten 20 Jahre ewig anhält, ist zwar aktuell weit verbreitet, aber durch nichts zu belegen.
Mehrere Prüfaufträge in der Koalitionsvereinbarung beziehen sich auf die private Altersvorsorge: Rieste soll nicht abgeschafft, aber durch Verzicht auf Garantien bei der Auszahlung (vermeintlich!) attraktiver gestaltet werden. Und erwogen wird, die Beschäftigten zu verpflichten, eine zusätzliche private Vorsorge abzuschließen. Zu finanzieren wäre dies allein von den Beschäftigten und ohne Beteiligung der Arbeitgeber. Hier wird die Idee fortgesetzt, die Versorgungslücken in der gesetzlichen Rentenversicherung durch diese Leistungen auszufüllen. Die paritätischen Beitragszahlungen werden durch die privaten Zahlungen ersetzt. Das senkt die Gesamtbelastungen nicht – aber erhöht die Belastungen der Beschäftigten.
Kranken- und Pflegeversicherung
Wie bereits erwähnt, soll in der neuen Legislaturperiode das (international einmalige) Nebeneinander von gesetzlicher und privater Versicherung erneut unangetastet bleiben, obgleich damit nicht nur Mehrausgaben, sondern zugleich sozial- und verteilungspolitisch inakzeptable Privilegierungen (von Selbstständigen, Beamten und abhängig Beschäftigten mit sehr hohen Einkommen) verbunden sind. Auch erste Schritte in diese Richtung, wie z.B. Anpassung der Gebührenordnungen, Änderung der beamtenrechtlichen Beihilferegelungen, Heraufsetzung der Beitragsbemessungs- und Versicherungspflichtgrenzen lassen sich nicht erkennen. Lediglich für den Bereich der Rentenversicherung wird angekündigt, auch Selbstständige einzubeziehen, allerdings mit einem Ausweichrecht auf private Vorsorgeformen.
Natürlich ist das Bekenntnis zu stabilen Finanzen in der Gesetzlichen Krankenversicherung grundsätzlich ebenso zu begrüßen wie Aussagen zu einer besseren Finanzierung der Pflegeversicherung. Die aufgeführten Maßnahmen (u.a. Absenkung des Eigenanteils, Finanzierung versicherungsfremder Leistungen aus Steuermitteln) werden jedoch bei weitem nicht ausreichen, um die Finanzdefizite zu schließen. Konkrete Maßnahmen zur Stärkung einer solidarischen und paritätischen Finanzierung fehlen.
Positiv zu bewerten, dass Pflegekräfte, die in der Pandemie besonders gefordert waren, eine Sonderzahlung von 1 Mrd. Euro bereitgestellt wird.