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Bündnis für Menschenwürde und Arbeit

Nachrichten aus Gesellschaft und Arbeitswelt

24. November 2024

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Würde droht weiter Konjunktiv zu bleiben

 

Pressemitteilung

Pressegespräch mit Hermann-Josef Kronen, Günter Rexilius, Wolfgang Fels und der Redaktion des ExtraTippDer Streit ums Bürgergeld wabert seit einigen Wochen durch die Medien und verdrängt die Wahrnehmung des Ukraine-Kriegs und des Klimagipfels.

Dabei sind Krieg als Kampf gegen die Bürger am unteren Ende der gesellschaftlichen Leiter und Klima im Sinne von Gesellschafts-Klima die derzeit sehr relevanten Metaphern. Es wird ein (Medien-) Krieg gegen Arbeitslose und Arme inszeniert, die Kämpfer gegen das Bürgergeld tragen zu massiven Beschädigung des gesellschaftlichen Klimas bei.

Der Begriff „Bürgergeld“ entstammt der FDP-Programmatik, die nicht gerade verdächtig ist für besonderes Engagement für die Menschen am unteren Einkommensrand der Gesellschaft. Er soll wohl eine gewisse Anerkennung und vielleicht auch Aufwertung derjenigen bedeuten, die diese staatliche Leistung erhalten, aber diese Anerkennung soll wohl nur rein sprachlich-symbolisch gemeint sein und im Wesentlichen nichts kosten.

Einige Entwicklungen und Fakten:

  • Seit den Hartz-Gesetzen geht es der gesellschaftlichen Mitte an den Kragen. Seit 1995 zählten einer Studie der Bertelsmann-Stiftung zu Folge 70 Prozent der Bevölkerung zu den mittleren Einkommensgruppen, inzwischen sind es knapp über 60. Laut Statistischem Bundesamt ist heute jeder fünfte „von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht“. Seit der Einführung der Hartz-Gesetze im Jahre 2005 habe sich die Mitte „nicht wieder erholt“, ist bei der nicht gerade des Kommunismus verdächtigen Bertelsmann-Stiftung zu lesen.
  • 40 % der Arbeitslosen LeistungsempfängerInnen sind Alleinerziehende. Selbst wenn sie arbeiten wollten, ist ihnen dies in Ermangelung eines Kita-Platzes meist nicht möglich (Sie haben ja keine Arbeit).
  • Entgegen populistischer Unterstellungen wird bei Hartz-IV-Haushalten das Kindergeld direkt auf die Hartz IV Leistung als Einkommen angerechnet. Für Lebensmittel wird für Kinder und Jugendliche ein Tagessatz von 4,09 € angesetzt – Hunger eingerechnet.
  • Ähnliches gilt für den Strombezug. Im Regelsatz ist der Stromverbrauch eingepreist und wird nicht wie häufig behauptet zusätzlich - wie die angemessenen Heizungskosten - durch die Jobcenter zu den Kosten der Unterkunft übernommen.
  • „Armut, Benachteiligung und Stigmatisierung – damit werden viele Familien und Alleinerziehende mit drei und mehr Kindern laut einer aktuellen Erhebung konfrontiert. Fast ein Drittel (32 Prozent) aller Mehrkindfamilien und 42 Prozent aller Alleinerziehenden sind armutsgefährdet. Dies geht aus der Studie der Bertelsmann-Stiftung ,,Mehrkindfamilien gerecht werden" hervor. Demnach haben Eltern mit drei oder mehr Kindern ein fast dreimal so hohes Armutsrisiko wie Paarfamilien mit zwei Kindern. … In Nordrhein-Westfalen sind 38,4 Prozent der Paarfamilien mit drei und mehr Kindern armutsgefährdet. Darüber hinaus beziehen 18 Prozent der Mehrkindfamilien Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) II. Bei alleinerziehenden Elternteilen mit drei oder mehr Kindern sind zudem 86 Prozent auf Sozialhilfen angewiesen, so die Studie“. (Quelle RP 11.11.2022)
  • Durchschnittlich 2/3 der Hartz-IV BezieherInnen haben keine oder eine überholte berufliche Ausbildung. „Wir brauchen aber jeden auf dem Arbeitsmarkt. Deshalb stellt das Bürgergeld die Aus- und Weiterbildung in den Mittelpunkt. Das finde ich richtig.“ So Stefan Graaf, Jobcenter-Leiter in Aachen und Sprecher der Jobcenterleitungen in Deutschland im Telefoninterview zum Bürgergeld mit T-Online.
  • Eine ähnliche Problematik stellt sich bei Personen mit Migrationshintergrund. Hier finden sich sprachliche Barrieren und/oder es fehlt eine berufliche Ausbildung, die derzeit auf dem Arbeitsmarkt nachgefragt wird.
  • Ein früher übliches Verfahren, die einkommensmäßig unteren 20 % der Bevölkerung bei der Ermittlung der Regelbedarfe zu berücksichtigen, wurde zum Nachteil der Leistungsempfänger auf die unteren 15 % reduziert. Dabei werden Ausgaben wie für Zimmerpflanzen, Haustiere, Regenschirme oder einen Weihnachtsbaum willkürlich nicht als regelbedarfsrelevant berücksichtigt und sind daher nicht im Regelbedarf enthalten. Und in der Bezugsgruppe gibt es noch sehr viele, die aus Scham und anderen Gründen trotz Anspruchsberechtigung keine Leistungsanträge stellen. Weder Teilhabe- noch Bildungsgerechtigkeit sind mit den aus diesem Statistikmodell ermittelten Werten für die Betroffenen möglich; Wohlfahrtsverbände fordern daher schon einige Jahre eine Erhöhung des Regelsatzes um mind. 200 €.
  • Das BVerfG hat die Regelbedarfsermittlung in 2014 zwar als „derzeit noch verfassungsgemäß“ bezeichnet, gleichzeitig aber an die Politik u.a. den Auftrag gegeben, auf ungewöhnliche Preissteigerungen zeitnah zu reagieren und nicht auf die reguläre Fortschreibung der Regelbedarfsstufen zu warten. An diesen von der Politik auch in der aktuellen Lage immer noch nicht eingelösten Auftrag knüpft die derzeitige Inflation, die kriegsbedingten Kostensteigerungen vor allem für den alltäglichen Grundbedarf an Lebensmitteln, Energie u.a.m. an. Und diese Steigerungen betreffen anerkannter Weise besonders hart einkommensschwache Personengruppen. Zum Jahresanfang ist der Regelsatz nur um 0,76 % erhöht worden. Vom derzeitigen Regelsatz von 449 € müssten als Kaufkraftverlust mind. 50 € abgezogen werden. Wenn die Erhöhung zum 1. Januar 2023 kommen sollte, wird aber auch dieser Wert schon wieder um ca. 8 % angesichts der für das kommende Jahr erwarteten Rezession „zu reduzieren sein“.

Würde darf nicht weiter zum Konjunktiv werden

Grafik: Würde droht Konjunktiv zu bleibenMenschen im Sozialleistungsbezug erfahren die derzeitige gesellschaftliche Diskussion als Angriff auf Ihre Existenzberechtigung. Wenn von leistungslosem Einkommen geredet wird, wird verächtlich auf die da unten geschaut, auf denen ohnehin auch „rumgetreten“ wird.

Das Bündnis für Menschenwürde und Arbeit beschreibt diese Situation als Mentalitäts- und Klimakrise. Verächtlich gemachte „Bürgergeld-Empfänger“ werden sich sicher nicht für dieses Gemeinwesen erwärmen, wenn sie tagtäglich Behinderungen in Sachen gesellschaftlicher Teilhabe und Bildungsgerechtigkeit erfahren und gleichzeitig als Sozialschmarotzer oder Arbeitsverweigerer tituliert werden.

Leider lässt die größte Oppositionsfraktion mit ihren Bemerkungen derzeit jede vermeintlich christliche Bezogenheit vermissen, wenn sie Millionen armer Menschen diffamiert und zusätzlich gegen Menschen im Niedriglohnbereich ausspielt.

Wir können als Bündnis alle demokratischen Parteien nur eindrücklich auffordern, die schon bestehende gesellschaftliche Spaltung nicht weiter zu befördern. Wir leben in einer reichen Gesellschaft, in der in diesen Krisenzeiten und darüber hinaus die Starken die Schwachen schützen müssen. Damit sind sicher auch gesellschaftliche Verteilungsfragen politisch dringlich zu bearbeiten. Wir fordern alle PolitikerInnen auf, sich dieser Aufgabe und den Versäumnissen der Vergangenheit zu stellen. Menschenwürde ist unteilbar!

Mönchengladbach den 22. November 2022

Presse-Echo

Meine-Woche.de >>> Nur ein Hartz-IV-Update?

Lokalbote.de >>> Würde droht weiter Konjunktiv zu bleiben

Grafik Mach meinen Kumpel nicht an!

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Johann Wolfgang von Goethe
(1749 - 1832), deutscher Dichter der Klassik, Naturwissenschaftler und Staatsmann
Quelle: Goethe, Briefe. An Johann Heinrich Meyer, am 8. Febr. 1796

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